Rudi, mein kleiner Held

Hier möchte ich Euch unser kleines, gemeinsames Tagebuch schreiben. Denn Rudi ist nicht nur in mein Herz gewachsen, Rudi ist auch meine kleine Aufgabe geworden, die, wie ich denke, mir von Eddy geschickt wurde. Darum werde für dieses kleinen Schatz alles geben, auch wenn es im Moment noch so aussieht, dass Rudi nur ein geliehenes Glück ist. Was mich am Anfang erschrocken hat, ist diese wahnsinnige Ähnlichkeit mit Eddy. Vieles, was Rudi mir zeigt, oder wie er sich verhält, erinnert mich stark an Eddy. Ich weiß, dass es falsch ist, aber kann man immer gegen seine Gefühle?


17. September 2015

Heute bekam ich einen verzweifelten Anruf von Petra, dass sie an der Landstraße ein verletztes Kitten gefunden hat. Es wurde angefahren und einfach liegen gelassen. Wie lange es da so hockte, kann keiner sagen. Aber oft liegen verletzte Katzen stundenlang auf oder an der Straße und die Autofahrer fahren einfach vorbei, weil man sich nicht mit einem Problem belasten will. Da sie mich nicht direkt erreichte, brachte sie den Kleinen zuerst zu einem TA, der in ihrer Nähe war. Dort versuchten wir dann den halben Tag, den Kleinen wieder raus zu bekommen und gegen Abend war es dann soweit. Nachdem Petra die Rechnung übernommen hat, konnte er um 18 Uhr endlich zu unserem Tierarzt. Dort wurde direkt die Notfallbehandlung durchgeführt und dann kam er mit zu mir. Rudi hat schwere Verletzungen und schöner wäre es gewesen, sie wären direkt richtig worden. Nun kämpfe ich um jede Stunde mit ihm, denn seine Chancen stehen bei knappe Null bis 5 Prozent. Rudi hat das linke Bein gebrochen, seine linke Körperhälfte ist gelähmt und seine linke Gesichtshälfte ist auch verletzt. Er kann nur flüssig ernährt werden und da er keine Körperwärme aufbauen kann, liegt er auf zwei Snuggies, die ihm die Wärme zuführen. Dazu steht er unter einem starken Schock. Ich bin ehrlich, ich fühle mich hilflos, weil man nicht weiß, wie man am besten helfen kann. Bete und hoffe, dass wir es noch schaffen.

18. September 2015

Rudi liegt im Kennel in Amys Zimmer. Mein Tierarzt und ich sind der Meinung, dass ein wenig Leben um ihn herum, ihn zurück ins Leben holen. Zurzeit bekommt er jeden Tag Flüssigkeiten unter die Haut und ein wenig Kortison, weil seine inneren Verletzungen so stark sin, dass es in seinem Bauch aussieht, wie in einem Schwamm. Er ist immer noch kalt und in seiner kleinen Welt gefangen. Er wird von mir vorsichtig mit Bioserin und Aufzuchtmilch versorgt. Und natürlich sehr viel Wärme, mehr kann man noch nicht tun.


Gegen Abend fing er an, ein wenig vom Nafu zu schlabbern. Noch ganz vorsichtig, weil er Schmerzen hat. Aber trotzdem ein gutes Zeichen, denn dann hat er auch ein wenig Hunger.

19. September 2015

Ich möchte mir mal etwas von der Seele schreiben und daher nenne ich mein volles Herz heute "Rudi, the Hero"

Rudi, gerade mal vier Monate alt und auf dieser Welt schon all das Schlechte der Menschen kennen gelernt, was einem so kleinen Herz passieren kann.

Rudi, wahrscheinlich privat geboren, dann über den Tiermarkt verkauft oder verschenkt und dann entweder nicht mehr gewollt, oder einfach raus gelassen, weil dumme Menschen ja immer noch glauben, dass Katzen draußen in jedem Alter zurecht kommen.

Rudi, auf der Suche nach Hilfe dann von einem Auto schwer angefahren worden und der Fahrer hielt es in seiner Gefühlskälte nicht für nötig, mal zu schauen, ob Rudi noch lebt.

Rudi, schwer verletzt kauert, er am Straßenrand und hofft vergebens auf Hilfe. Denn eine Katze am Straßenrand ist ja leider immer noch viel zu oft nicht mehr wert als ein kurzer Seitenblick.

Rudi, als er endlich von einem lieben Herz gefunden und zum TA gebracht wird, ist es fast schon zu spät. Und als er dann endlich zu uns kam und von unserem TA behandelt werden konnte, warf sein kleines Leben keinen Cent mehr wert.

Rudi, kämpft so sehr um jeden kleinen Erfolg und hat doch zu schlimme Verletzungen, dass man immer noch nicht sagen kann, er schafft es. Aber er kämpft und ich kämpfe mit ihm mit, obwohl mein Herz jedesmal bei seinem ausgemerkelten und schwachen Anblick weint. Weil mein Herz schwankt zwischen Wut und Trauer, weil wir so nah am ausländischem Verhalten bei den Katzen sind, das man am liebsten verzweifelt aufgeben möchte. Denn, wann lerne die Menschen, dass es Lebewesen sind, die hin und her gehandelt werden. Die gequält, grausam getötet, ausgesetzt und einfach überfahren und zum sterben liegen gelassen werden, wenn sie einem dummen Autofahrer im Weg sind. Und weil ich weiß, ich kämpfe hier auf verlorenen Posten. Weil ich weiß, dass sich bei uns in der Region nie was ändern wird. Warum auch?

Bei Rudi denke ich an die Geschichte, "Niko, der Gehilfe vom Weihnachtsmann", denn sie ist seiner Geschichte sehr ähnlich. Auch Rudi würde so gerne über Wiesen laufen, mit anderen Katzen tollen und einfach nur glücklich sein. Und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich mit ihm für dieses kleine Glück kämpfe, aber auch weiß, dass, wenn sich unsere Befürchtung bewahrheiten sollte, ich ihn gehen lassen muss. Denn ein Leben ohne jemals sich bewegen zu können, ist kein Leben für eine junge Katze und ich habe ihnen geschworen, dass ich niemals eins dieser Seelchen ein qualvolles Leben bereiten werde, wenn eine Erlösung für sie eine Erleichterung ist.

Ich bin traurig, weil Tierschutz nicht immer Tierschutz ist. Denn gerade die kleinen Seelchen, die immer wieder gehandelt und entsorgt werden, könnten einen Schutz gebrauchen. Aber wo sollen sie hin? Und wer soll sie alle finanzieren? Man liest doch jetzt schon auf vielen Tierschutzseiten bei uns, dass man diese und jene Katze bezahlt haben muss, weil man sich die Kosten einfach nicht leisten kann. So viel spenden können die Leute ja gar nicht, wie bei Tierschutzseiten erfragt wird. Daher weiß ich, dass es für die Katzen keine Veränderung geben wird. Sie sind nichts wert in unserer Gesellschaft und wenn sie sich nicht irgendwann selber tragen, dann wird es auch immer so bleiben.

Mein Traum war es ja, dass ein Katzenheim eine Anlaufstelle für sie sein könnte. Nicht eine Stelle, wo man fünf Katzen aufnimmt und dann schon über die Kosten jammert. Sondern eine Stelle, die gleichermaßen für die Verstoßenen und den Spendern etwas Greifbares sein würde. 

Auch nicht von einem Verein übernommen, damit die Gelder wirklich voll den Katzen zugute kommen. 

Ein Heim, wo ehrenamtliche Menschen mit Herz für die Katzen eine Welt erschaffen, in der sie geborgen sind. Und wo Menschen für sie auf die Straße gehen. Sei es mit Infostände, oder mit Aktionen, wo sie wieder Hilfen, egal, ob in Form von Futter, oder Tierarztkosten erarbeiten. 

Wo Menschen zeigen können, dass sie etwas für die Katzen machen und nicht nur auf Spender warten, die die Rechnungen übernehmen. 

Aber so eine Welt wird es wohl bei uns nicht geben, denn in unserer Region ist man sich über das Ausmaß vom Katzenelend noch nicht bewußt und ohne Verein läuft gar nichts. Eben das alte Denken noch. D7arum wird es noch viele kleine Rudis geben, die dann um ihr kleines Leben kämpfen, weil die Katzen eben nur eine Sache sind.

Sorry für meine harten Worte, aber ich bin es, die hier sitzt und viel zu oft um so kleine Seelchen kämpfen muss. Die versucht, das "Problem" aufzufangen und die versucht, jedes Jahr immer wieder und so oft es geht, Aktionen und Projekte ins Leben zu rufen, damit die Kleinen auch immer tierärztlich versorgt werden können.

Ich bin heute so hart, weil ich nicht nur bei Rudi eine schlechte Prognose erhalten habe, sondern auch noch bei einem anderen Näschen von uns und ich nun zwei kleine Seelchen habe, wo ich den Ausgang nicht kenne, aber ihnen jeden Tag ins süße Gesichtchen sehen und dabei lächeln muss, damit sie meine Verzweiflung nicht sehen. Denn ich möchte keins von ihnen verlieren, weil ich sie schon viel zu sehr liebe und zu viele zum sterben im Arm hielt. Darum hoffe ich, dass Ihr mich ein wenig versteht und mir verzeiht. 

Und nun warte ich auf meinem Mann, um ihm so ruhig wie möglich zu sagen, dass sein kleines Herzblatt, die ihn immer so oft zum lachen bringt, nicht mehr geheilt werden kann.

Nun wünsche ich Euch von Herzen ein wunderschönes Wochenende und danke Euch allen. Danke Euch für Euer Verständnis, für Eure Liebe zu Winzlinghausen und für Eure lieben Worte und den Trost, den Ihr uns immer entgegen bringt. 

20. September 2015

Diese Nacht hat sich Rudis Zustand dramatisch verschlechtert. Er kann nichts mehr zu sich nehmen, um 2 Uhr hat er reines Blut uriniert und er dämmert nur noch vor sich hin. Er nimmt mich auch nicht mehr wahr und wenn ich es nicht schaffe, ihn wieder ein wenig hoch zu bekommen, werde ich ihn gehen lassen. Denn diese Qualen möchte ich ihm nicht allzu lange zu muten. Rudi durfte schon nicht in Würde gehen, so sollte er dann doch wenigstens in Würde sterben dürfen. Auf jeden Fall fahre ich gleich mit ihm zum TA und dann werden wir entscheiden, wie es weiter geht.

21. September 2015

Wir haben Rudi gestern noch einmal ein wenig hoch bekommen und gegen Abend wollte er auch schon wieder selber ein wenig Futter schlabbern. Nun bekommt er stündlich Aufzuchtmilch und Nafu, sowie dreimal am Tag Bioserin und in die Milch eine Aufbaupaste.

Da er an den Hinterbeinen Lähmungserscheinungen hat, mache ich nun kleine Übungen mit ihm. Das gebrochene Bein wird in der Schonhaltung gehalten. Heute geht es wieder zum Tierarzt.

24. September 2015

Rudi geht es eigentlich soweit gut. Er kann jetzt schon alleine futtern und sich in die Sitzstellung hoch stemmen. Er ist aufmerksam und hat auch schon zugenommen. Doch leider setzt langsam sein Darmgefühl aus. Er merkt nicht, wenn ihm hinten etwas weg geht und sein Schwanz ist auch ohne Gefühl. Seine Pfoten haben zwar das Gefühl, aber er schafft es nicht, Kraft aufzubauen. Stellt man ihn auf die Hinterbeine, kippt er sofort um. Zum Katzenklo robbt er mit nur einem Bein, dem gesunden Bein, wo aber auch immer noch die Pfote durch das schlimme Abschmürren ist. Der Unfall ist jetzt eine Woche her und daher möchte ich ihn noch nicht aufgeben. Aber ich bin ehrlich, sollte die Lähmung sich verschlimmern, werde ich ihm ein Leben im Liegen nicht zumuten. Man kann mit Behinderungen leben, kein Thema. Aber wenn von Kitten an nur liegen, oder sich mit einem Bein ziehen muss, nie merkt, wenn man sich voll macht und immer wartet, dass einer Zeit hat, sich zu kümmern, ist das kein Leben. Man muss auch ein wenig realistisch sein. Menschen müssen sich, wenn sie schwer Pflegebedürftig sind, quälen, bis der Tod sie erlöst. Ich sehe das ja jede Woche und bin immer nur am weinen, wenn ich das Pflegeheim verlasse. Bei Tieren können wir entscheiden, ob wir es ihnen so zumuten wollen. Und ehrlich, ich will es nicht. Wenn so seine Zukunft aussieht, dann lasse ich ihn gehen, so schwer mir diese Entscheidung fallen wird. 

Ich weiß, ich klinge jetzt hart, aber ich lebe seit einer Woche mit ihm. Meine Uhr dreht sich nur um den kleinen Schatz und ich mache alles, was in meiner Macht steht, um ihm zu helfen. Aber wir sind nicht Gott und wir dürfen ein Tier nicht für unsere eigene Psyche benutzen. Viel zu oft werden arme Näschen dazu benutzt, um auf Mitleid zu machen und abzukassieren. Rudi ist ein stolzer Kater, der sich seine Würde in kleinen Schritten zurück erkämpft hat. Soll ich sie ihm nehmen? Nein. Wenn er nicht in Würde leben darf, dann ist es sein Schicksal und dann lasse ich ihn in Würde gehen. 

Glaubt mir, ich mache mir das alles nicht leicht. Habe an alles geglaubt, was Heilpraktiker und Kommunikatoren mir geschrieben habe. Habe alles ausprobiert, aber irgendwann muss Schluss damit sein. Er ist super gut von meinem Tierarzt versorgt und ich gebe ihm Tag und Nacht, was er braucht. Bin da, wenn er mich ruft und helfe ihm so gut es geht. Bin überflutet von den vielen Ratschlägen und ich weiß nicht, ob das ihm dann so hilft. Und ich werde es ab jetzt so wie bei Fienchen-Findus machen. Ich gehe nach meinem Bauchgefühl. Aber ich möchte noch etwas zu den ganzen Sachen schrieben. Denn eins hat ihm auf jeden Fall komischerweise geholfen. Und das sind die Farben blau und orange, die Evelyne mir genannt hat. Diese Farben wird er weiter behalten, weil auch mein Bauchgefühl dazu ja sagt. Aber erklären kann ich das nicht.

Sodale, nun hoffe ich, Ihr versteht mich ein wenig und verurteilt mich nicht für meine Einstellung. Wir machen uns jetzt wieder fertig für den Tierarzt und mal sehen, was er heute sagt.

25.September 2015

Heute einmal ein paar kleine Bildimpressionen von Rudi in einer kleinen Bildergeschichte

26.September 2015

Mittlerweile hat Rudi zugenommen und futtert wie ein Großer. Er ist absolut lieb, lässt die Behandlungen und die Übungen gut über sich ergehen und ist einfach nur ein ganz lieber, süßer Fratz. Langsam kann er schon etwas länger stehen und zwei , drei Schritte auf mich zu kommen. Leider kann er nicht immer noch nicht den Kot oder den Urin bei sich behalten und macht dann neben seinem Kuschelkissen.