Mein Name ist …….


Ja, Ihr lest richtig. Ich habe keinen Namen, oder keinen Namen mehr, denn früher, ja früher hatte ich mal einen Namen. Nun lebe ich draußen, habe lange gebraucht, zu verstehen, was passiert ist und wenn ich ehrlich bin, verstehe ich immer noch nicht ganz, warum ich nun draußen alleine bin, keine Familie mehr habe und jeden Tag und jede Nacht ums Überleben kämpfen muss. Was habe ich gemacht? Warum möchte meine Familie mich nicht mehr? Wo ist sie hin?
Ich laufe noch oft an meinem alten Zuhause vorbei, aber da lebt keiner mehr. Das Haus ist leer, der Garten verwildert und ich höre nicht mehr die Stimmen, die nach mir rufen, um mich dann in den Arm zu nehmen und mit einem Lächeln im Gesicht mit mir zu schmusen.
Manchmal, wenn ich mich auf den Weg zu meinem Zuhause mache, stelle ich mir vor, es ist nur ein böser Traum. Ich komme um die Ecke und im Haus brennt Licht. Meine Familie lässt mich rein und ich finde einen vollen Futternapf und mein kuscheliges Körbchen. Und doch weiß ich, dass diese Bilder nie wieder kommen werden. Ich stehe ruhig im Garten, schaue mit Tränen in den Augen zum Haus und vermisse meine Familie so sehr. Frage mich, „vermissen sie mich auch, oder haben sie mich schon vergessen?“ Und manchmal bin ich wütend auf mich. "Warum habe ich nicht gemerkt, dass sie nicht mehr hier wohnen wollten. Warum hat man mir das nicht gesagt, oder auf mich gewartet, als man mit dem großen Wagen meine Sachen alle weggebracht hat? Und warum haben sie bis jetzt noch nicht bemerkt, dass sie mich vergessen haben?"
Ich weiß im Grunde eine Antwort auf alle meine Fragen, denn ich habe die gleichen Fragen schon von vielen Katzen gehört, die auch hier im Ort in Familien gelebt haben und sich nun alleine durchs Leben schlagen.
Man wollte uns einfach nicht mehr. Das neue Haus oder die neue Wohnung. Die neuen Möbel, Teppiche und Tapeten, eigentlich das ganze neue Leben passt nicht mehr mit uns Katzen zusammen. Wir sind dabei nur alter Ballast, den man nicht mehr im neuen Leben dabei haben möchte und so lässt man uns einfach im alten Leben zurück. Wir können schon alleine klar kommen. Schließlich sind wir ja Katzen und Mäuse gibt es ja auch genug für uns zum jagen. Was aus uns wird, ist Nebensache und das unsere Tage, hier im alten Ort, gezählt sind, verdrängt man einfach, denn wir sind nur Katzen und was macht da schon eine mehr oder weniger aus?
Es gibt vereinzelt noch liebe Menschen, die uns etwas Katzenfutter rausstellen. Und manche Menschen lassen für uns ihr Kellerfenster offen, sodass wir bei schlechtem Wetter wenigsten ein wenig trocken und sicher schlafen können. Aber nach und nach ziehen auch diese Menschen weg und lassen uns zurück, denn wir gehören ihnen ja nicht und wo wollen sie mit uns auch hin?
Die Menschen hier im Ort werden immer weniger, wir Katzen werden immer scheuer und ängstlicher und im Grunde wissen wir auch, dass wir unserem Ende entgegenlaufen. Denn die Tierheime sind so schon voll und es werden keine Katzen mehr aufgenommen. Kein Mensch möchte sich eine verwahrloste und verwilderte Katze ins Haus holen und irgendwann kommen andere Menschen, die uns einfangen und wegbringen. Wohin wissen wir nicht, denn wie sollten wir auch? Die Menschen, die noch da sind, meinen, wir werden entsorgt, was immer das auch heißen mag. Ich hoffe, das heißt, wir kommen in neue Familien, aber mein Herz mag daran nicht so glauben. Ich möchte eigentlich gar nicht wissen, wo ich dann hin komme, wenn schon die Menschen nicht mehr wissen, wohin mit uns.
Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt, weiß nur, dass ich als Baby immer gedacht habe, das große Los gezogen zu haben. Ich hatte eine Familie, die mich liebte und versorgte. Ich wurde beschmust und ich habe mit meinen Menschen gespielt. Abends habe ich mich dann auf ihren Schoss zusammengerollt und ihr Kraulen verursachte bei mir immer ein wohliges Schnurren. Heute kann ich nicht mehr schurren, möchte so gerne, aber da gibt es keinen mehr, der mir ein schnurren entlocken kann. Heute gibt es nur noch Angst, Hilflosigkeit und Verzweiflung. Und heute gibt es nur noch die Frage, „Warum hat meine Familie mich im Stich gelassen und mich vergessen?“
Mittlerweile hört man immer wieder, dass es eine Frau gibt, die seit einem Jahr für uns kämpft. Die, bis die Menschen  kommen und uns einfangen, eine Zuflucht für uns schaffen möchte, damit wir auch wieder ein wenig Sicherheit und Liebe erhalten können und nicht den Tod durch Krankheit, Unfall oder ….. erleiden müssen.  Aber sie hat es schwer. Die Menschen wollen es noch nicht so richtig verstehen und die Menschen,  die die Macht hätten, uns zu helfen, drehen sich weg und wollen mit uns nichts zu tun haben. Sie kann es auch nicht verstehen, dass die Menschen immer noch nichts von uns wissen. Sie hat an Zeitungen geschrieben, Flyer verteilt, Aufrufe auf ihrer Webseite gestartet, aber wir Katzen scheinen es nicht wert zu sein, sich Gedanken über uns zu machen. Denn bis jetzt mussten schon zu viele Katzen sterben, die eigentlich nicht sterben mussten.
Im Moment fährt sie noch Futter für uns rum, aber es wird der Tag kommen, dann darf sie das nicht mehr, weil das Gebiet, wo wir uns verstecken einer großen Firma gehört  und die dann aufpasst, dass kein Mensch mehr dort fährt. Und wenn es dann soweit ist, fragen wir uns, „was wird aus uns? Ist dann die Zeit gekommen, wo wir abgeholt werden?“

Ich bitte Euch hier mit meiner Geschichte nicht um Hilfe. Nein, das Bitten habe ich schon lange aufgegeben. Aber ich bitte diese Frau, nicht aufzugeben. Ich bitte sie, für uns Katzen weiter zu kämpfen und wenn sie nur ein paar von uns damit retten kann, dann hat sie schon viel erreicht. Und ich bitte sie, uns anderen, die es nicht schaffen werden, in ihre Gebete einzuschließen, damit wir, wenn wir zu kleinen Sternenfellchen geworden sind, ihr immer einen lieben Gruß in ihr Herz schicken können, damit sie weiterhin die Kraft hat, für die verlorenen Seelen dieser Region zu kämpfen. Und wer weiß, vielleicht wird unser Traum von einer Zuflucht für die Ausgesetzten und nicht mehr gewollten Katzen wahr und wir bekommen eine Zuflucht, wo wir das Schreckliche, was uns unsere Familien angetan haben, vergessen können. Dann dürfen die Streunerle, so wie ich eine bin, auch wieder einen Namen haben.